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Fragezeichen Auswirkungen des Plastikmülls auf Umwelt

Wo landet unser Plastikmüll?

Wo landet unser Plastikmüll?

Deutschland übt sich gerne in Eigenlob, wenn es um sein Recyclingsystem „Grüner Punkt“ geht. Tatsächlich wird hierzulande mehr Müll verbrannt als tatsächlich aufbereitet. Weiterhin werden unsere Abfälle rund um den Globus exportiert, die Zahl illegaler Deponien auch in Deutschland wächst. Echte Kreislaufwirtschaft braucht Mehrweg und kein aufwendiges Einweg-Recycling.

Müllverbrennung: Asche, Schlacke und toxischer Staub bleiben zurück

Angaben des Bundesministeriums für Umwelt folgend, wurden 2019 deutschlandweit insgesamt in 156 Anlagen 25 Millionen Tonnen Abfall energetischen verwertet. [1] Also zur Gewinnung von Strom und Wärme verbrannt. Im selben Jahr fielen 6,28 Millionen Tonnen neu gesammelter Kunststoffmüll an. Laut Bundesumweltamt wurden davon 53 Prozent direkt verfeuert.

Nach der Verbrennung bleiben Schlacken, Asche und Feinstaub übrig. Bedenklich sind vor allem die zahlreichen Giftstoffe, die bei der Verbrennung von verschiedensten Kunststoffen freigesetzt werden: zum Beispiel Dioxine, Furane und Bleipartikel. Diese gelangen mittlerweile nicht mehr einfach über den Schornstein in die Umwelt, sondern werden aufwendig herausgefiltert. Der hochtoxische Staub im Filter, wird zynischerweise als Schadstoffsenke bezeichnet, weil die Gifte aus der Anlage nicht direkt in die Umwelt entweichen.

Tatsächlich handelt es sich um eine Schadstoffquelle. Denn der Abfall vom Abfall verschwindet nicht einfach. Der Filterstaub darf nur in stabilisierter Form gelagert werden. Das heißt, er wird in Plastiktüten oder Fässer verpackt, unterirdisch deponiert und mit Salz bedeckt. Das findet in stillgelegten Tagebauen statt. Diese Anlagen gehören zur Deponieklasse IV, der höchsten in Deutschland. In dieser wird auch radioaktiver Müll endgelagert.

Laut Statista (Onlineportal für Statistiken) ist die Anzahl an Deponien der Klassen III und IV bundesweit von 31 im Jahr 2014 auf 27 in 2020 zurückgegangen. [2] Das sagt aber nichts über die tatsächliche Menge des Abfalls und die Lagerfläche aus. Diesbezüglich finden sich nur spärliche Angaben. In der weltgrößten Untertage-Deponie für Giftmüll, dem osthessischen Schacht Herfa-Neurode, lagern jedenfalls knapp drei Millionen Tonnen an belasteter Schlacke und Filterstaub aus der Müllverbrennung ein. [3] Jährlich kommen zirka 50 000 Tonnen dazu, was 500 vollgefüllten Hausmüllcontainern entspricht. Laut Deutschlandfunk gab es in dem Schacht, dessen Tunnel bis nach Thüringen reichen, bereits 2016 einen Schwefelbrand. An anderen Stellen kam es zu Wassereinbrüche.

Wie viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte die Deponien die toxischen Verbrennungsreste zurückhalten müssen, ist noch nicht abzusehen. Recycling- und Aufbereitungsmöglichkeiten sind erst in der Entwicklung. Bereits jetzt sorgen sich Forschung und Umweltschutz, dass die Gifte über das Grubenwasser in den Wasserkreislauf und damit wieder an die Oberfläche kommen können.

Grafik Deutsche Müllexporte: Wo landet unser Plastikmüll?

Der Abfall geht um die Welt

Noch schlimmer ist aber, wenn der Kunststoff einfach unter freiem Himmel verbrannt wird. Das passiert mit einem großen Teil unseres exportierten Mülls, da auch die Abnehmer den Abfall nicht unendlich hoch stapeln können. Dabei werden Feinstaub, CO2 und giftige Gase nicht nur in die Atmosphäre entlassen. Auch der Boden und das Wasser werden belastet. Der gesamten Umwelt wird langfristiger Schaden zugefügt.

China, lange ein sicherer Hafen für europäische Müllfrachter, hat die Einfuhr seit 2018 größtenteils verboten. In den 30 Jahren zuvor ging rund die Hälfte des Mülls der ganzen Welt nach China. Die enorme Menge überforderte die Häfen. Danach durften sich vor allem Malaysia, Thailand und Indonesien über den deutschen Müll freuen. Auch diese Länder verschärften die Einfuhrregeln. Inzwischen ist die Türkei unser Großabnehmer außerhalb Europas. 2021 landeten dort 14 Prozent des deutschen Exportmülls, ganze 107 600 Tonnen. [4]

Bei einer Untersuchung der Deponie Incirlik, stellte Greenpeace den höchsten jemals in der Türkei gemessenen Dioxinwert fest. Die Toxizität sei im Vergleich mit einer neutralen Probe 400.000-fach erhöht. Ebenfalls wurden hohe Konzentrationen an Kupfer, Zinn und dem Weichmacher PCB gefunden. [5] In der Auswertung heißt es: „Die Kunststoffabfall-Proben, die von Deponien und offenen Verbrennungsstellen in Çukurova/Karahan, Seyhan/Kuyumcular und Yüreğir/İncirlik entnommen wurden, enthielten verschiedene toxische organische Chemikalien sowie relativ hohe Konzentrationen verschiedener Metalle und Metalloide.“

Greenpeace konnte nachweisen, dass in der türkischen Müllentsorgung Kriminelle mitmischen. Es wurden zahlreiche illegale Deponien verschiedener Größe entdeckt, eine sogar im Hinterhof eines Hauses.

Auch an das Nachbarland Polen ist seit 2021 eine erhebliche Menge deutschen Mülls gegangen. 88 300 Tonnen, was einem Anteil von zwölf Prozent entspricht. Der Deutschlandfunk meinte bereits ein Jahr zuvor: „Polen wird zur Müllhalde Europas“ und viele der Transporte landen auf illegalen Deponien. Die verbleibenden 5,4 Prozent – immerhin 41 000 Tonnen – gehen weiterhin direkt nach Malaysia, Indien und andere Länder des globalen Südens.

Deutschlands illegale Müllhalden: Das kriminelle Millionengeschäft mit unserem Müll

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Illegale Mülldeponien in Deutschland nehmen zu

Das klingt nach Problemen von Ländern, die für niedrige Umweltstandards bekannt sind? Weit gefehlt, auch in der EU blüht das illegale Geschäft mit der Müllentsorgung, seit Deutschland keine Abnehmer für seine Verpackungshinterlassenschaften mehr findet. Die Exporte sind in den vergangenen vier Jahren stark zurückgegangen. Um ein ganzes Viertel in 2021 im Vergleich zum Vorjahr. Die Schattenseite: Hierzulande und im Nachbarland Polen schießen die illegalen Müllkippen wie Pilze aus dem Boden.

Recherchen des ZDF-Magazins Frontal im Februar dieses Jahres ermittelten 330 solcher ungenehmigten Deponien in Deutschland. Die Abfallmenge lässt sich überhaupt nicht beziffern. Wohl aber die Kosten, die bei deren Beseitigung entstehen: Diese werden auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt. Kosten, auf denen meist die Kommunen sitzenbleiben. [6]

Das Greenpeace Magazin berichtet von einer Deponie im mecklenburgischen Güstrow mitten im Trinkwasserschutzgebiet. Über 26 Jahre lang wurde dort ohne Genehmigung insgesamt zirka 14.000 Tonnen Müll entsorgt. [7] Erst 2020 schritt die Staatsanwaltschaft ein, geschätzte Sanierungskosten belaufen sich auf bis zu vier Millionen Euro.

Wie es dazu kommen kann: Abfallkriminalität gilt lediglich als ein so genanntes Kontrolldelikt. Das heißt, Ermittlungen werden erst aufgenommen, wenn ein Verstoß bereits festgestellt wurde. Vorbeugende Aufklärung findet nicht statt. Somit muss ein illegaler Müllberg erst einmal heranwachsen und gefunden werden, bevor ein Verfahren eingeleitet wird. Besser für die Umwelt und auch günstiger für den Staatshaushalt wäre es, die Machenschaften frühzeitig zu erkennen und dagegen vorzugehen.

Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke hat ein Exportverbot in Länder außerhalb der EU zur Diskussion gestellt. Am Müllexport in der Union würde das aber nichts ändern und auch nicht an den kriminellen Praktiken. Laut der Polizeibehörde Europol wird mit illegalen Handel innerhalb Europas pro Jahr bis zu zehn Milliarden Euro Gewinn gemacht. [8]

Plastikmüll gelangt in die Natur

Ob legale der illegale Mülldeponien: Was dort gelagert wird, landet leicht in der Natur und beeinträchtigt das Leben der Pflanzen und Tiere. Plastikverpackungen werden vom Wind erfasst, landet in Bäumen, auf Feldern und in Flüssen, über welche der Müll auch in die Meere gelangt. Dort bilden sich gigantische Plastikstrudel. Der so genannte Great Pacific Garbage Patch schafft es auf eine geschätzte Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometer. In dieser sollen sich etwa 1,8 Billionen Plastikteilchen befinden. Die Forschung kommt zu dem Schluss, dass 80 000 Tonnen Müll im Strudel schwimmen. [9]

Vergleich Great Pacific Garbage Patch 4,5x so groß wie Deutschland Karte

Über die Ozeane gelangt der Kunststoff teilweise zurück an die Küsten. Selbst bis in die Arktis. Für eine 2023 veröffentlichte Studie des Alfred-Wegener-Institut wurde über fünf Jahre hinweg angeschwemmter Plastikmüll an den Stränden Spitzbergens untersucht. [11] Acht Prozent der Verpackungen, deren Herkunft festgestellt werden konnte, stammten aus Deutschland.

In der Natur zerfallen die Kunststoffe in immer kleinere Teile, bis hin zur sogenannten Mikroplastik. Diese gelangt über das Wasser und die Lebensmittel auch in den menschlichen Körper. Die langfristigen Folge sind derzeit noch nicht abzusehen.

Plastik – Die Recycling-Lüge | Dokumentarfilm | NDR Doku

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Recycling: Wie Begriffe über Tatsachen hinwegtäuschen können

Wie kann es aber sein, dass nicht nur die Abfalllobby sondern selbst das Umweltbundesamt bekannt geben, dass Kunststoffabfälle nahezu vollständig verwertet werden? Die Angabe bezieht sich zunächst einmal auf den Müll, der in Deutschland ordnungsgemäß eingesammelt und verarbeitet wird. Illegal deponierte und ins Ausland verschobene Abfälle zählen hier nicht zu. Und die ausführlich beschriebene Müllverbrennung zur Energiegewinnung gilt in der Bundesrepublik kurioserweise als eine wünschenswerte Art der Wiederverwertung. Derzeit wird von Teilen der Abfallwirtschaft sogar gefordert, dass der Staat Müllverbrennungsanlagen als umweltfreundliche Technologie von der CO2-Abgabe befreie. [12] Die Bundesregierung kam dem Wunsch zum Glück – noch – nicht nach.

Die NDR-Dokumentation „Plastik – Die Recycling-Lüge“ geht davon aus, dass lediglich fünf Prozent der gesammelten Plastikabfälle tatsächlich wieder zu neuem Verpackungsmaterial werden. Die Zahl stamme aus einer industrieeigenen Studie. Denn auch nach Durchlaufen einer Mülltrennungsanlage, ist das verbleibende Kunststoffgemisch zu belastet, um Lebensmittelvorschriften zu genügen. Zudem sind die Kosten des komplizierten Recyclings höher, als die für den Einkauf aus frisch hergestellter Plastik.

Ein Großteil des aufbereiteten Abfalls wird in Wirklichkeit nicht recycelt sondern downgecycelt, also in ein minderwertigeres Material umgewandelt. Dieses kann dann zum Beispiels als Eisenbahnschwellen, Dämmmaterial oder Straßenbelag Verwendung finden. Das Geschäft mit dem Downcycling rechnet sich aber nur mit staatlichen Subventionen. Die Einsatzmöglichkeiten für diese Materialien sind begrenzt.

Plastikatlas – Die Recycling-Lüge (Böll-Stiftung)

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Fazit

Politik und Hersteller tragen die Verantwortung für dieses Desaster. Aber wenn wir etwas zum Positiven verändern wollen, dann geht das nur über unseren Konsum. Wir wissen, dass wir die Verantwortung für unseren Müll nicht in der gelben Tonne abgeben können. Die Wege, die unser Abfall nimmt, sind bekannt und die Auswirkungen ebenfalls.

Wir lassen uns nicht hinters Licht führen, sondern beleuchten auch das, was nicht gesehen werden will. Das ist unbequem, aber nur so lässt sich das Gesamtbild der Lage erkennen. Damit wir die richtigen Entscheidungen treffen und die Welt positiv verändern.

[Quellen]

[1] Müllverbrennung, BMUV

[2] Anzahl der Mülldeponien in Deutschland, statista, 2023

[3] Die größte unterirdische Giftmüll-Deponie der Welt, Deutschlandfunk, 2019

[4] Pressemitteilung Nr. N 035, Statistisches Bundesamt, 2022

[5] Game of waste, Greenpeace, 2022

[6] Umweltkriminalität mit Abfällen, ZDF, 2023

[7] Auf Halde, Greenpeace Magazin, 2021

[8] Deutscher Müll auf illegalen Deponien in Polen, NDR Pamorama, 2022

[9] Evidence that the Great Pacific Garbage Patch is rapidly accumulating plastic, scientific reports, 2018

[10] Plastikmüll in der Arktis stammt aus aller Welt – auch aus Deutschland, Alfred-Wegener-Institut, 2023

[11] CO2-Preis für Müllverbrennung in der Kritik, Bundestag, 2022

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